Liedertafel – Warum nicht?

Ja, wie kam das eigentlich? Ein Sängerkollege hatte mich, den „Jungspund“, gefragt, wie ich zur Liedertafel gekommen bin.  Am Anfang stand das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Auf Seite des anderen Sängers, der mich mal beiläufig darauf ansprach, ob ich nicht mal mit singen gehen wollte. Wir kannten uns damals noch nicht lange und es klang nicht uninteressant. Singen im Chor? Seit der Grundschule nicht mehr gemacht. Aber warum nicht? Neue Leute kennen lernen, mal rauskommen, was anderes machen und dann findet das auch noch in einer Gastwirtschaft statt?

Klar war das Liedgut (und ist es noch regelmäßig) neu für mich, aber das ein oder andere hatte man schon mal gehört oder kannte es irgendwo her. Schnell war ich integriert und konnte mich einfach beim Singen an die alten Hasen dranhängen. Noten lesen können? Kein Ausschlußkriterium jedenfalls, aber meist singen wir ja miteinander nicht gegeneinander. Dabei sein ist nicht alles, aber das meiste. Als dann gleich das erste Weihnachtskonzert anstand, stieg die Herausforderung. Mit dem Messias z.B.: „Das will ich sehen! Ob wir das hinkriegen bis dahin?“  Der Ehrgeiz hatte mich gepackt. Und dann die Begeisterung etwas gemeinsam zu schaffen und zu erreichen. Was man auch unbedingt mal erlebt haben sollte: 2 Männerchöre in einer kleinen Halle, die „Aus der Traube in die Tonne“ schmettern. Mit Dolby 7.1 kriegt man diese Gänsehaut nicht hin.

Erst später erfuhr ich, dass die Liedertafel 1862 Schwand der älteste Verein am Ort ist und als Männerchor zu einer aussterbenden Art gehört. Aber der Franke wird da nicht elitär – bescheiden und beständig ist die Devise. Überhaupt werden auch hier im Verein noch andere Tugenden vorgelebt und gepflegt, wie sie in freier Wildbahn immer seltener werden. Fleiß, Loyalität, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Geduld um nur einige zu nennen.  Alles Dinge, die man seinen Kindern weitergeben möchte. Schon beeindruckend, wenn der über 80jährige noch den Fußballrasen pflegt und seine Witze deutlich saftiger als ebenjener Rasen sind. Wenn der nur wenig jüngere Kamerad zu den Auftritten im fränkischen Hinterland mit dem Fahrrad fährt (analog!), überhaupt teils Anfahrten zu den Proben von über 60km auf sich genommen werden oder ein Junggebliebener in seiner Freizeit mit dem Motorrad von Albanien bis zum Nordkap fährt. Auch habe ich vorher noch keinen Träger des Bundesverdienstkreuzes und bessere Bowlingspieler getroffen um nur einige wenige Beispiele für interessante Menschen zu nennen. Von der oft beklagten Überalterung, also der hohen Lebenserfahrung darf man aber keine falschen Schlüsse ziehen habe ich gemerkt. Oft werden Männer ja nur älter und nicht reifer. Welche Frau kann davon kein Klagelied singen. Der Spaß ist jedenfalls immer Thema und es wird nicht nur miteinander gesungen (manchmal eher gerungen…auf Wiedersehen an der Coda sagt dann der Chorleiter).

Und dann bin ich hängen geblieben. Die Freundschaft hat sich weiter entwickelt. Der Gesang auch, aber vor allem denke ich an das Lächeln meiner Frau wenn sie vergleicht, mit welcher Laune ich manchmal von der Arbeit heimkomme und mit welcher nach dem Singen. Vielleicht hat sie mich auch nur gern mal einen Abend aus dem Haus, denn der innere Schweinehund hat sich mit dem Sofa nach einem Arbeitstag schon oft genug gegen mich verschworen.

Anfangs staunte der Bürgermeister zwar noch über das „junge Gesicht“ morgens bei der Aufstellung zur Ehrenformation zum Volkstrauertag, aber das bleibt ja nicht so. Das Gesicht.